Ausstellung von Joachim Rother

“Jedes Bild ein kraftvoller Appell an das Auge und das Herz des Betrachters!”

Es gibt künstlerische Ideen, die brauchen ein Leben lang, ehe sie sich Bahn brechen und umgesetzt werden. Und es sind meist nicht die gradlinigen Biografien, die den Rahmen für solche kreativen Entwicklungsprozesse abgeben. Es ist zu Reden von Joachim Rother, Jahrgang 1944, dessen Ausstellung wir heute in der Hirzbacher Kapelle eröffnen.

Ich kann Ihnen berichten, dass die Kapelle den Künstler bei seinem ersten Besuch sofort angesprochen hat – und so kam diese Ausstellung zustande. Dies freut mich um so mehr, als ich Joachim Rother schon seit einigen Jahrzehnten kenne, auch wenn wir uns zwischenzeitlich ein wenig aus den Augen verloren hatten. Als er mich vor fünf Jahren einmal zu sich einlud, da traf ich dann einen ganz anderen Joachim: In aller Stille hatte er in seinem Atelier in Kesselstadt ein fulminantes malerisches und zeichnerisches Werk geschaffen. Joachim Rother hatte sich damals „freigemalt“ und in den letzten zehn Jahren einen ganz eigenen Weg und Stil der Kunst gefunden.

Von Hause aus ist der Kesselstädter was man einmal Gebrauchsgrafiker nannte, ehe der generalisierende Begriff „Design“ auch dieses konkrete Arbeitsfeld der angewandten Kunst vernebelte. Auch die Berufsbezeichnung „Schmücker“ macht Rother nicht verlegen, denn so nannten sich die Schaufenstergestalter einst mit leicht selbstironischem Unterton. Derweil waren sie keine Künstler zweiter Klasse. Ohne solide Grundlage konnten auch sie keine ordentliche Arbeit abliefern. Mit dem Unterschied zum freien Künstler, dass ihre Arbeit ausgesprochen zweckgerichtet war. Über zwei Jahrzehnte war Rother auf diesen beiden Feldern nicht ohne Erfolg tätig. Ende der 1970er Jahre kam es dann zu einer Umorientierung.

Schon immer auch politisch interessiert und vor allem in der Sozial- und Jugendpolitik interessiert – er gehörte zu jenem Kreis der Hanauer Jungsozialisten, die 1973 das Hans-Böckler-Heim als selbstverwaltetes Jugendzentrum initiierten – machte er eine Ausbildung zum Erzieher und trat in die Dienste der Stadt Hanau. Nach 25 Jahren, in denen er unter anderem den Hort Saalburgstraße geleitet hatte, wurde er 2005 in den Ruhestand entlassen.

Nun schloss sich der Kreis. Ideen für eine Malerei, die den eingefleischten Jazzliebhaber seit Jahrzehnten mal mehr, mal weniger beschäftigt hatten, brachen heraus.

Am Anfang stand die theoretische Beschäftigung mit der Farbe, der Maltechnik und vor allem der Kunstgeschichte. Vor allem die Malerei der 1940er und 1950er Jahre faszinierte Rother. Der Abstrakte Expressionismus der Amerikaner und sein europäisches Pendant, der Tachismus, fand ja schließlich auch eine Entsprechung im Jazz. Darauf war er schon früh, seit den 1960er Jahren in der Frankfurter Jazzszene um die Mangelsdorff-Brüder gestoßen, hatte mithin bereits die Nase im (richtigen) Wind, als andere noch Jazz mit Dixieland verwechselten.

Und so findet der Jazz, in dem sich die Formen auflösen und der Klang über der Melodik steht, eine Entsprechung in Rothers Malerei: Farbe und Form variieren frei auf der Leinwand, erzeugen Einklang und Dissonanz, Wärme und Kälte, Ruhe und Dynamik. Jedes Bild ein kraftvoller Appell an das Auge und das Herz des Betrachters!

Dass Rothers auch mit seinem zweiten Standbein, der Zeichnung, auf festem Boden steht, braucht nicht betont zu werden. Nur so viel: Ganz im Gegensatz zu seiner Malerei arbeitet der Zeichner Rother konkret am menschlichen Körper, hält mit dem Zeichenstift Augenblicke fest, Momentaufnahmen von Anspannung oder Abgeschlagenheit, Exkursionen über Köperformen, die den Blick vom Detail ins Ganze und zurückführen, und wo sich die Linie des Zeichenstifts auch schon einmal ein wenig in die Fläche erweitert.

Malerische Qualität und zeichnerische Potenz prägen Rothers Bilder, die sich für den, der in sie hineinhört, auch immer ganz nahe an der Musik sind. Mit der Musik von Peter Back, dem großartigen Musiker, den wir soeben hörten, haben Rothers Bilder eine Entsprechung in Tönen gefunden.

(Werner Kurz, Rede zur Eröffnung der Ausstellung)